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Geh aus mein Herz
Geh aus mein Herz und suche Freud Die Lerche schwingt sich in die Luft,
in dieser lieben Sommerzeit das Täublein fl iegt aus seiner Kluft
an deines Gottes Gaben; und macht sich in die Wälder.
schau an der schönen Gärten Zier Die hochbegabte Nachtigall
und siehe, wie sie mir und dir ergötzt und füllt mit ihrem Schall
sich ausgeschmücket haben. Berg, Hügel, Tal und Felder.
Die Bäume stehen voller Laub, Ich selber kann und mag nicht ruhn,
das Erdreich decket seinen Staub des großen Gottes großes Tun
mit einem grünen Kleide; erweckt mir alle Sinnen;
Narzissus und die Tulipan, ich singe mit, wenn alles singt,
die ziehen sich viel schöner an und lasse, was dem Höchsten klingt,
als Salomonis Seide. aus meinem Herze rinnen.
Paul Gerhard (1606–1676) ver- Melica, einem der bedeutends- 20. Jahrhundert besonders die
fasste im Jahr 1653 als Pfarrer in ten evangelischen Gesangbücher Jugendbewegung das Lied zu
Mittenwalde den Text des Liedes. des 17. Jahrhunderts, heraus. Im eigen. Bis heute blieb Paul Ger-
Aufgewachsen im Dreißigjähri- 19. Jahrhundert in viele evan- hardts Gedicht als geistliches
gen Krieg mit den Erfahrungen gelische Gesangbücher aufge- Lied, Wander- und Sommerlied
von Hungersnot, Seuchen und nommen, gehört dieses Lied populär, wenn auch in den meis-
dem frühen Tod beider Eltern, seither zu den populärsten des ten Gesangbüchern von den
bewahrte er sich dennoch ein evangelischen Kirchengesangs. fünfzehn Strophen des Originals
großes Gottvertrauen. Auch die- Im Laufe seiner Geschichte nur vier Strophen zu fi nden sind,
ses Gedicht mit ursprünglich 15 wurde der Liedtext immer wie- die ersten drei und die achte.
Strophen zeigt seine Bewunde- der mit verschiedenen Melo-
rung für die Natur als göttliche dien verknüpft. So schuf der
Schöpfung und seinen uner- Komponist August Harder 1813
schütterlichen Glauben an Gott. die gegenwärtig gebräuchliche
Der Kantor der Nikolai-Kirche Melodie zu Paul Gerhards Text.
in Berlin, Johann Crüger, gab Seit dem 19. Jahrhun-
das Lied 1653 im Praxis Pietatis dert Volkslied, machte sich im ursula Düvel
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