Marit Tingleff: „Irdene Dinge“
Ausstellung im Keramikmuseum Westerwald
Vom 12. Juni bis 31. Oktober stellt das Keramikmuseum Westerwald im Rahmen des diesjährigen Mottos „Kompass Europa: Nordlichter“ des Kultursommers Rheinland-Pfalz Werke der norwegischen Künstlerin Marit Tingleff aus. Marit Tingleff ist eine der bekanntesten zeitgenössischen Keramikkünstlerinnen Norwegens. Sie studierte zunächst an der Hochschule für Kunst und Design in Bergen und leitete von 2013 bis 2016 den Fachbereich Keramik an der Kunstakademie Oslo.
Die Geschichte der norwegischen Keramik ist geprägt von den engen Verbindungen zu Dänemark und Norddeutschland. Im Süden des Landes ist ein rotbrennender Ton vorhanden, mit dem man niedrig gebrannte Gebrauchswaren fertigte. Tingleff stellt sich bewusst in diese Tradition und benutzt die Ausdruckskraft der Irdenware, die – im Gegensatz zum glatten, hochgewerteten Porzellan – mit ihrer bestechenden Einfachheit eine Nähe zum Alltäglichen herstellt. Sie erkannte schon früh, dass die europäische Irdenware viele Möglichkeiten für eine künstlerische Auseinandersetzung in sich birgt.
An der Basis ihrer Werke steht traditionelle, alltägliche Gebrauchskeramik. Tingleff vergrößert Teller, Platten und Schüsseln zu kraftvollen Monumenten. So werden sie zu einer Hommage an die Frauen, die das gute Geschirr pflegten und bei besonderen Gelegenheiten mit Stolz präsentierten. „Ich möchte all die Hände ehren, die dieses Geschirr zu Tisch getragen haben, und die gleichen – oft weiblichen – Hände, die es abwaschen und wegstellen mussten“, sagt sie selbst dazu.
Auch die nordische Landschaft nimmt eine bedeutende Rolle in ihren Werken ein. Das fängt mit der Wahl des Materials an: Tingleff entschied sich schon früh dafür, keine importierten, sondern nur den vorhandenen, lokalen Ton zu nutzen. Ihre Beobachtungen von Mustern oder Farbstimmungen in der Natur verarbeitet sie in Landschaftsbilder. So bringt sie die Außenwelt nach innen. Ihre größten Arbeiten waren jedoch nur mit Ton aus dem Westerwald umsetzbar. Dazu besuchte sie 2016 die Lagerstätten der Firma Goerg & Schneider und suchte sich persönlich das Material aus. Diese Serie aus 4 großformatigen, Trog-ähnlichen Formen, werden in der Ausstellung präsentiert. Mit einem Maximum an keramischer Bildfläche tut sich ein Panorama aus vier Farberfahrungen in der Landschaft hervor.
Eine weitere Arbeitsgruppe sind ihre doppelwandigen Objekte, die nur noch ganz entfernt an Küchenutensilien wie Stövchen oder Siebe erinnern. Die rätselhaften Formen veranlassten den dänischen Kunstkritiker Poul Erik Tøjner dazu, sie dann als „Tingleffs“ zu bezeichnen. Denn die erste Silbe ihres Nachnamens bedeutet in der norwegischen Sprache tatsächlich „Ding“ und ist somit vielleicht die beste Umschreibung dieser seltsamen Sachen. Sie sind doppelwandig, aber nicht doppeldeutig, und weisen die Frage nach ihrer Relevanz zurück. Gerade in einer Zeit, wo Begegnungen nur digital stattfinden und das Haptische definitiv zu kurz kommt, freuen wir uns auf diese herrlichen irdenen Dinge.
Bedingt durch die aktuelle Situation kann leider keine Vernissage stattfinden. Für den Sommer sind zwei Begleitveranstaltungen geplant, für die man sich unter kontakt@keramikmuseum.de anmelden kann:
Blick in unsere Landschaft, in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Westerwald-Ton e.V. (Termin wird noch bekanntgegeben).
Marit Tingleff reiste 2016 extra in den Westerwald, um hier den Rohstoff für Ihre Arbeiten auszusuchen. In dieser Veranstaltung wird der Blick auf unsere einmalige Landschaft gelenkt. Museumsleiterin Dr. Nele van Wieringen führt durch die Ausstellung. Danach folgt ein Ausflug in die Tonlagerstätten des Westerwalds, wo die Besucher über die moderne, nachhaltige Tongewinnung unter Berücksichtigung des Naturschutzes informiert werden.
Blick in Omas Geschirrschrank, mit Dr. Christian Lechelt am 24. Juli von 14 – 17 Uhr.
Marit Tingleff spricht auf ganz persönliche Weise die Rituale und die Tischkultur, die den Gebrauch von Porzellan und Keramik mit sich bringen, an. Besucher können ihr gutes Stück aus Omas Schrank von dem Porzellanspezialisten Dr. Christian Lechelt, Leiter des Museums Schloss Fürstenberg, begutachten lassen. Sie erfahren so mehr über den Hersteller und das Design und wir freuen uns auf Ihre persönlichen Geschichten dazu!
Anlage: Einladungskarte