Fachtagung Runder Tisch Rhein-Westerwald

Gewalt ist nicht gleich Gewalt

Ich schlag dir auf die Fresse, weil… ich dein Handy will, …du mich beleidigt hast, …du schon so guckst. Die Gründe für Gewalt können verschieden sein, auch wenn das Ergebnis gleich ist. Die Frage wie Gewalttaten motiviert sind, war Gegenstand der Fachtagung des Runden Tisches Rhein-Westerwald im Rahmen des Rheinland-Pfälzischen Interventionsprojektes gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen.

Das Gewalt nicht gleich Gewalt ist, sprich es nicht den Gewalttäter bzw. die Gewalttäterinnen gibt, wird jedem schnell klar, der mit Menschen, ganz gleich ob an Gericht, Schule, KiTa oder Hilfeeinrichtung, arbeitet. Gewalttaten liegen unterschiedliche Motive zugrunde, die in der pädagogischen Arbeit Beachtung finden sollten. Welche Gewaltmotive sich in der Arbeit mit jungen Menschen unterscheiden lassen, erläuterte Winnie Plha, Soziologin und Projektleiterin bei der Denkzeit-Gesellschaft. Der Freie Träger der Jugendhilfe entwickelt und evaluiert unter der Leitung von Prof. Rebecca Friedmann seit über 15 Jahren psychodynamisch fundierte, pädagogische Programme gegen Gewalt und Delinquenz, wendet diese bundesweit an und bildet Fachkräfte zu unterschiedlichen Themen weiter.  

Grundsätzlich unterscheidet die Wissenschaft zwischen zwei wesentlichen Gewaltmotivationen: der affektiven und der instrumentellen.

Instrumentell handelnde Gewalttäter zeichneten sich u. a. durch fehlende Empathiefähigkeit, eine hohe Risikobereitschaft, Verantwortungslosigkeit und einer starken Ich-Bezogenheit aus. Taten begehen sie vorwiegend mit dem Ziel der eigenen Bedürfnisbefriedigung. Unter Beachtung des Kosten-Nutzen-Aspektes der Taten, kann mitunter erarbeitet werden, dass sich Straftaten nicht lohnen, sozial angemessenes Verhalten jedoch schon.

Komplexer seien affektive Motivlagen, die sich in einem Spektrum, zwischen von eher reaktiven bis hin zu intrinsisch motivierten, Taten bewegen. Während reaktive Taten meist eine direkte Antwort auf (vermeintliche) Provokationen oder Kränkungen sind und dazu dienen diese Angriffe abzuwehren, liegen intrinsischen Taten meist projektive Phänomene zugrunde. Das bedeutet, dass der Täter/die Täterin unbewusste, unerträgliche, innere Spannungen (z.B. durch ein sehr instabiles Selbstwertgefühl) externalisiert und einem meist zufällig gewählten Anderen zuschreibt. Mit der festen Überzeugung, dass der Andere „schon so guckt, als wäre ich nur Dreck“ begehen intrinsisch motivierte Täter/Täterinnen oft ungesteuerte, brutale Gewalttaten, unter denen es nicht selten zu dissoziativen Zuständen kommt.

Diese Gewalttaten haben nicht die Bestrafung des Anderen oder die persönliche Bereicherung zum Ziel, sondern dienen der Abwehr dieser unaushaltbaren Spannungszustände, die überwiegend durch frühe traumatische Erfahrungen begründet sind.

Ausgehend von der Betrachtung der unterschiedlichen Motivlagen ergeben sich zwangsläufig unterschiedliche Strategien in der Prävention und Intervention. Während für den einen ein hoher Preis für gewalttätiges Verhalten Abschreckung bedeutet, gilt es für den anderen sein Umfeld richtig zu deuten, einen Blick nicht als Provokation zu verstehen. Der intrinsisch motivierten Täter muss Projektionen und Traumafolgen verstehen sowie Notfallstrategien erlernen, um das Abgleiten in dissoziative, nicht steuerbare Zustände zu verhindern.  

„Diese unterschiedlichen Motive finden sich auch bei der Gewalt in engen sozialen Beziehungen wieder“, betont Beate Ullwer, Gleichstellungsbeauftragte des Westerwaldkreises, die gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises Neuwied die Fachtagungen für den Runden Tisch Rhein-Westerwald organisiert. „Frühe Beziehungserfahrungen, die durch Gewalt, Missbrauch, körperlicher oder psychischer Vernachlässigung gekennzeichnet sind, stellen einen perfekten Nährboden für gewalttätiges Verhalten dar. Darum sind die sog. Frühen Hilfen als Präventionsmaßnahme ebenso wichtig, wie passgenaue Maßnahmen für Gewalttäter“, ergänzt Doris Eyl-Müller.

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