Agentur für Arbeit Montabaur ermutigt am Girls´ Day

Keine Angst vor Dreck und großen Maschinen

Auch ein Beruf für Mädchen: Mary wird Kfz-Mechatronikerin

Die junge Frau trägt Latzhose, Arbeitsjacke und Sicherheitsschuhe. Die Haare sind mit einem Tuch zurückgebunden, die Hände schwarz vom Motoröl und sie strahlt übers ganze Gesicht. Mary A. lernt einen Beruf, den viele Mädchen überhaupt nicht auf dem Schirm haben: Kfz-Mechatronikerin. Damit nicht genug. Ihr Einsatzfeld sind Nutzfahrzeuge, und da gehören Caravans und Transporter zu den „kleinen Fischen“. Vor allem schraubt sie an schweren Lkw - ohne Berührungsängste und voller Leidenschaft.  

Die 16-Jährige, die ihre Ausbildung bei der Vogel GmbH in Diez absolviert, ist sicher, am richtigen Platz gelandet zu sein. Ihre Schulzeit war nicht einfach. Freimütig erzählt sie, dass sie unter einer leichten Rechenstörung und einem ausgeprägten Aufmerksamkeitsdefizit (ADS) leidet und im Unterricht eine Integrationsfachkraft zur Seite hatte. Nach dem Hauptschulabschluss wollte sie vor allem möglichst schnell hinaus ins praktische Leben. „Schon im Kindergarten habe ich gewusst: Ich muss was mit den Händen machen!“, erzählt sie.

Aber was? Mary liebt Pferde und besitzt selbst eine Stute mit Fohlen. Sie jobbte auf einem Reiterhof und überlegte, Pferdewirtin zu werden. Aber sie bezweifelte, mit diesem Gehalt sich und ihre Tiere ernähren zu können. Die nächste Idee war, als Berufskraftfahrerin Güter über die Straßen zu transportieren. Sämtliche Bewerbungen wurden abgelehnt, weil sie noch minderjährig ist. Die Berufsberaterin der Agentur für Arbeit Montabaur und der Übergangscoach der Realschule plus im Aartal unterstützten Mary bei der Orientierung, erkannten ihr Potenzial und brachten sie auf die Zielgerade. Mit ihrem Faible für große Maschinen könne sie doch Kfz-Mechatronikerin werden? Die Vogel GmbH in Diez, die auf Verkauf, Reparatur und Inspektion von Lkw spezialisiert ist, suche Azubis.       

Jochem Vogel, Betriebsleiter und Prokurist, hatte schon zuvor Bewerberinnen für die Werkstatt. Es gibt zwar viele technische Hilfsmittel, die die Arbeit erleichtern. Aber man muss immer noch ordentlich zupacken können. Vogel: „Die Bremse für einen Pkw kann ein Kind heben. Aber bei einem Lkw wiegt sie schon mal zehn Kilo. Deshalb sage ich immer: Guck´s dir an! Einen Einstellungstest habe ich noch nie verlangt, und auf Schulnoten legen wir nicht so viel Wert.“ Mary war die einzige junge Frau, die ein Praktikum machte und blieb.

Um den ersten weiblichen Mechatroniker-Lehrling einstellen zu können, musste der Betrieb eine separate Toilette, Waschgelegenheit und Umkleide nachweisen. Dafür wurde ein Kunden WC „umgewidmet“. Ein anderes Problem geht die junge Frau selbst energisch an. Damit sie in der Berufsschule Schritt hält, nimmt sie einmal pro Woche Mathe-Nachhilfe; die Kosten trägt die Arbeitsagentur: „Ich weiß, dass ich Unterstützung brauche und habe mich dafür entschieden, weil ich auf keinen Fall aufgeben will.“

Diese Gefahr besteht wohl nicht. Mary meistert die Theorie mit Bravour und bringt ihre Vorgesetzten mit Bestnoten bei HwK-Lehrgängen in Elektrik und Metallbearbeitung zum Staunen. Um ihr schlechtes Kurzzeitgedächtnis auszutricksen, hat sie Block und Kuli in der Hosentasche. Wenn´s schnell gehen muss, kritzelt sie sich auch mal eine Memo in die Hand. Unerlässlich für den Job in der Werkstatt ist ihre Grundhaltung: „Ich hab keine Angst vor Dreck. Der ist abwaschbar.“

In der Agentur für Arbeit freut man sich nicht nur, dass Berufsberatung und Förderung so gute Früchte tragen. „Mary zeigt auch in allerbester Weise, dass junge Frauen in so genannten Männerberufen erfolgreich sind“, sagt Kristin Walter, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt. Gerade zum Girls´ Day, der am 28. April im Kalender steht, ermutigt sie alle Mädchen: „Schaut euch in der Berufswelt um, erkundet eure Interessen – und vor allem: traut euch!“ Seit Jahrzehnten stehen in der „Hitliste“ der Berufsstarterinnen die Kauffrau für Büromanagement, die Friseurin und die zahnmedizinische Fachangestellte ganz oben. Aber wer kennt eine Abwassermeisterin, eine Forstwirtin oder eine Zimmerin?  

Mädchen wie Mary könnten dafür sorgen, dass sich etwas ändert. Sie liebt ihren Job, und ihre Begeisterung steckt an: „Als ich hierherkam, kannte ich kein einziges Werkzeug und hatte noch nie einen Lkw von unten gesehen. Und jetzt denke ich jeden Tag: Boah, ist das cool!“

Foto: Agentur für Arbeit Montabaur

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