Bericht des Landrates zur aktuellen Flüchtlingssituation

Sitzung des Kreistages des Westerwaldkreises am 09. Oktober 2015

TOP 1: Bericht des Landrates über Angelegenheiten des Westerwaldkreises

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich möchte heute über drei Punkte berichten.

Diese sind:

  1. […]
  1. Situation der Flüchtlinge im Westerwaldkreis
  1. […]

[…]

 

Zur Flüchtlingssituation im Westerwaldkreis:

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

dass es sich bei diesem Thema um eine ganz besondere Herausforderung handelt, brauche ich hier nicht zu sagen.

Ich will mich nicht auf die Ebenen der höheren Politik begeben, sondern auf das beschränken, was unsere Region betrifft.

Es ist, wie Sie insbesondere der aktuellen Entwicklung auf dem Stegskopf entnehmen können, jedoch ein weiteres Thema hinzugekommen:

Dieses Thema heißt: „Erstaufnahmeeinrichtungen und deren Nebenstellen“

Voranzustellen ist die Information, dass die in der Bundesrepublik ankommenden Flüchtlinge nach dem so genannten Königssteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt werden. Hier hat das Land Rheinland-Pfalz die Verpflichtung 4,8 % der Flüchtlinge aufzunehmen. Die Unterbringung dieser Flüchtlinge erfolgt zunächst im ausschließlichen Zuständigkeitsbereich des Landes in so genannten Erstaufnahmeeinrichtungen. In diesen Erstaufnahmeeinrichtungen soll die Registrierung der Flüchtlinge vorgenommen werden, Antragstellungen entgegengenommen werden, Gesundheitsuntersuchungen vorgenommen werden und erste Informationen über besondere Fähigkeiten von Flüchtlingen gesammelt werden. Bisher verbleiben die Flüchtlinge in diesen Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes für einen Zeitraum von ca. 2 bis 4 Wochen und werden danach den Kommunen zur weiteren Aufnahme in ihren Zuständigkeitsbereich zugewiesen. Eigentlich ist das Ziel, was auch von den Kommunen gefordert wird, dass die Menschen in diesen Erstaufnahmeeinrichtungen solange verbleiben, bis über ihre Asylanträge entschieden ist. Von diesem Ziel sind wir derzeit meilenweit entfernt. Dies ergibt sich u.a. auch daraus, dass das für die Entscheidung über die Asylanträge zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den vorhandenen Antragsstau nicht abgearbeitet bekommt. Zwar ist hier Besserung in Aussicht gestellt, jedoch noch keine eingetreten.

Für das Land stellt sich diese Situation nun wie folgt dar:

Zum einen erhöht sich täglich die Anzahl der dem Land Rheinland-Pfalz zugewiesenen Flüchtlinge. Zum anderen soll die Verweildauer der Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen im Hinblick auf eine bessere Vorbereitung für die spätere Zuweisung in die Kommunen verlängert werden. Man spricht hier derzeit von 6 Wochen bis zu drei Monaten. Diese zwei Umstände führen dazu, dass das Land Rheinland-Pfalz händeringend nach Unterbringungsmöglichkeiten für die Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen und deren Außenstellen sucht. Die Anforderungen an die räumliche Ausgestaltung von Erstaufnahmeeinrichtungen liegen weit unter dem Standard den wir in den Kommunen für die weitere Unterbringung haben. Man spricht von einem Platzbedarf für die Flüchtlinge in einer Größenordnung von 4 qm je Mensch und bekanntlich sind viele derzeit auch noch in Zelten untergebracht. Auch Industriehallen werden dafür als geeignet angesehen. So ist auch der alte Lagerbereich des Stegskopfes als eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit angesehen worden, mit der Folge, dass das Land Rheinland-Pfalz dort oben eine Erstaufnahmeeinrichtung schaffen wird. Die näheren Einzelheiten dazu sind ja zwischenzeitlich öffentlich bekannt.

Das Land sucht jedoch weitere geeignete Gebäude um Flüchtlinge unterzubringen. Diese Suche betrifft auch den Westerwaldkreis. Es geht hier nach bisherigem Stand zwar nicht um die Schaffung einer weiteren vollständigen Erstaufnahmeeinrichtung, jedoch um die Schaffung von so genannten Außenstellen. Die bisherige Sprachregelung mit dem zuständigen Landesministerium für Migration ist so, dass die Geeignetheit solcher Einrichtungen zunächst untersucht wird und erst wenn tatsächlich feststeht, dass die Einrichtung geeignet ist und das Land dort auch eine Außenstelle einer Erstaufnahmeeinrichtung schaffen will, zuerst durch das Land wenn auch in Abstimmung mit den Kommunen eine Information der Öffentlichkeit erfolgt.

Zu solchen möglichen Einrichtungen gehören auch größere Gebäude oder Hallen, die sich in Privatbesitz befinden. Das Verfahren läuft dann üblicherweise so ab, dass wir als Kreisverwaltung einen Besichtigungstermin für eine Räumlichkeit kurzfristig vom Land benannt bekommen und an diesem Termin ausschließlich deshalb teilnehmen, weil dort unsere Meinung zur Erfüllung des Brandschutzes von Bedeutung ist. In einem solchen Termin werden sodann mit dem privaten Eigentümer mögliche notwendige Investitionen besprochen und der private Eigentümer unterbreitet sodann dem Land ein Angebot auf Abschluss eines Mietvertrages für den Zeitraum von zwei Jahren. Wenn es aufgrund eines solchen Angebotes durch die Annahme beim Land Rheinland-Pfalz zum Abschluss eines Mietvertrages kommt, ist die Grundlage dafür geschaffen, die Einrichtung als Außenstelle zu nutzen. In der Regel werden solche Außenstellen durch Polizei und Sicherheitsdienste abgesichert und auf der Grundlage eines entsprechenden Vertrages des Landes mit dem Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes in Verbindung mit den örtlichen Verbänden betrieben.

Wie ich eingangs schon gesagt habe, finden derzeit solche Verfahren auch im Westerwaldkreis statt. Die Erfahrung zeigt, dass ab dem Zeitpunkt in dem feststeht, dass das Land eine solche Außenstelle betreiben will, es sehr schnell geht. In der Regel wird ab diesem Zeitpunkt die Öffentlichkeit informiert und in der Regel wird auch ein Informationstermin für die Menschen vor Ort durch das Land eingerichtet. Hierauf sollten wir auch im Westerwaldkreis in den nächsten Tagen vorbereitet sein.

Kurzfristige Ergänzung der Rede des Landrates zu TOP1 „Bericht des Landrates über Angelegenheiten des Landkreises“ hinsichtlich der Flüchtlingsthematik direkt vor Sitzungsbeginn:

„Meine sehr verehrten Damen und Herren,

das wollte ich Ihnen heute bis 13:00 Uhr sagen. Dann hatte ich ein Telefonat mit der Integrationsministerin Alt. Sie hat mich informiert – und ist dabei die Bürgermeister darüber zu unterrichten –, dass das Land beabsichtigt, sowohl in der Ortsgemeinde Herschbach bei Selters in einem privaten ehemaligen Schullandheim, als auch in der Ortsgemeinde Ruppach-Goldhausen Außenstellen von Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge einzurichten.

Für die Einrichtung in Ruppach-Goldhausen sprach sie von einer max. Belegung von 250 bis 300 Personen ab der zweiten Hälfte von Oktober und für die Einrichtung in Herschbach bei Selters sprach sie von einer max. Belegung von 200 bis 250 Personen ab Anfang November. Das Ministerium wird noch eine Presseerklärung dazu rausgeben. Ich habe bei der Ministerin angeregt, dass – wie in anderen Fällen auch – vom Land aus für die Bevölkerung vor Ort Informationsveranstaltungen vor Ort angeboten werden, in der das Land darlegen wird, wie das genau ablaufen wird und was geplant wird und dass die Bevölkerung dort die Möglichkeit hat, auch die notwendigen Fragen zu stellen.

Was ich jetzt gesagt habe, ist offiziell neu; inoffiziell vor Ort hatte sich das allerdings auch abgezeichnet.

Ich will jetzt aber auch etwas klarstellen. Ich bin nicht der Pressesprecher des Ministeriums und ich bin auch nicht derjenige, der die Errichtung von Landeseinrichtungen verkünden muss. Deswegen bitte ich auch von weiteren Nachfragen bei mir abzusehen.

Die Nachrichtenlage hat sich in den letzten Stunden aber so verändert, dass im Angesicht der zu erwartenden Presserklärung des Ministeriums ich Sie hier und heute im Kreistag nicht im Ungewissen lassen wollte.

Ich gebe aber auch zu bedenken, dass in Anbetracht der Vermeidung von Obdachlosigkeit das Land keine andere Wahl hat, als weitere Plätze in der Erstaufnahme für Flüchtlinge zu schaffen. Dabei können wir nicht erwarten, dass wir im Westerwaldkreis leer ausgehen.

Ich denke, dass es unserem Selbstverständnis entspricht, dass auch wir unseren Teil dazu beitragen, dass diese Menschen zunächst überhaupt einmal ein Dach über dem Kopf haben.“

Kommen wir nun zu dem Teil, für den wir als Kommunen eigentlich zuständig sind. Das sind die Flüchtlinge, die den Kommunen aus den Erstaufnahmeeinrichtungen durch das Land zugeteilt werden.

Im Jahre 2015 sind dem Westerwaldkreis bis einschließlich der Zuweisung vom 22.10.2015 bis jetzt 1.122 Flüchtlinge zugeteilt worden. Allein in der letzten Woche trafen 74 Flüchtlinge, darunter 26 Kinder im Westerwaldkreis ein. Die Neuankömmlinge wurden im Kreishaus in Empfang genommen und erhielten mittels einer Power-Point-Präsentation in sieben Sprachen alle für sie zunächst wichtigen Informationen über den Westerwaldkreis und die weitere Verfahrensweise. Danach wurden die Flüchtlinge per Taxi auf die jeweiligen Verbandsgemeindeverwaltungen verteilt. Dieser Vorgang spielt sich jeweils dienstags und donnerstags bei der Kreisverwaltung und den Verbandsgemeinden ab. Bis zum Jahresende rechnen wir derzeit mit insgesamt über 2.000 Zuweisungen.

Mit Stand zum 30.09.2015 gibt es im Westerwaldkreis 1.251 Leistungsbezieher nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, für die der Landkreis den Lebensunterhalt, die Unterkunftskosten und die Kosten der Krankenhilfe sicherstellt. Zu den finanziellen Auswirkungen werde ich nachher im Rahmen meiner Anmerkungen zum Nachtragshaushalt noch etwas sagen.

Die Verbandsgemeinden im Westerwaldkreis schaffen es im engen Zusammenwirken mit den Ortsgemeinden bisher noch diesen Flüchtlingszustrom dezentral im Westerwaldkreis in Wohnungen unterzubringen. Dies verlangt hohe Anstrengungen aller Beteiligten. Auch in der Betreuung gibt es ein hohes Engagement der Verbands- und Ortsgemeinden und der vielfältigen ehrenamtlichen Helfer sowie der örtlichen Träger der Freien Wohlfahrtspflege.

Ihnen allen sei zunächst an dieser Stelle auch einmal für Ihre Leistungen gedankt.

Gleichwohl kann es auch im Westerwaldkreis, wenn der Flüchtlingsstrom nicht abreißt, wovon derzeit ausgegangen werden kann, zu Engpässen, was insbesondere den dezentralen Wohnraum betrifft, kommen. Insofern ist es angezeigt, dass wir alle nochmals prüfen, welcher vorhandene Wohnraum für die Aufnahme von Flüchtlingen noch zur Verfügung gestellt werden kann. Ziel ist es, zunächst alle Möglichkeiten für eine dezentrale Unterbringung zu nutzen.

Soweit darüber hinaus von allen politischen Ebenen zwischenzeitlich gefordert wird, dass ausreisepflichtige Personen, soweit ihre Ausreisepflicht auch einmal feststeht, tatsächlich zurückgeführt werden, so erfüllt der Westerwaldkreis auch hier seine Aufgaben. So verzeichnet der Westerwaldkreis in diesem Jahr bis jetzt schon 138 freiwillige Rückkehrer. Dies ist auch ein Ergebnis der erfolgreichen Überzeugungsarbeit durch den mit dieser Aufgabe im Kreishaus betrauten Mitarbeiter Thorsten Ehrenfried.

Daneben gibt es aber auch Abschiebungen. In diesem Jahr sind im Westerwaldkreis bereits 52 Personen, davon 43 aus dem Westbalkan, abgeschoben worden. 11 Abschiebungen sind gescheitert, weil die betroffenen Personen entweder untergetaucht waren oder sich während der Abschiebung, etwa im Flugzeug, derart renitent verhielten, dass die Maßnahme abgebrochen werden musste. Abschiebungen sind bekanntlich für alle Beteiligten eine menschlich und administrativ schwierige und nicht selten auch frustrierende Tätigkeit. Sie erfordern nicht selten einen erheblichen Personalaufwand, insbesondere auch bei der Polizei, aber auch seitens der Verwaltung und häufig ist es so, dass die abgeschobenen Personen nach kurzer Zeit wieder da sind und wegen der Stellung eines Asylfolgeantrages erneut auf die Kommunen verteilt werden. So wurden in diesem Jahr bislang im Westerwaldkreis 80 Folgeanträge gestellt, über die beim Bundesamt im Wesentlichen noch nicht entschieden ist.

Es bleibt insgesamt festzuhalten, dass die hier beschriebenen Aufgabenstellungen uns nicht nur jetzt, sondern über die nächsten Jahre hinweg in erheblichen Umfang beschäftigen werden. Es nützt aber bekanntlich nichts, vor solchen Aufgabenstellungen wegzulaufen, sondern wir werden uns auch dieser Aufgabe stellen und ich bin mir sicher, dass wir auch diesbezüglich weiterhin mit einer hervorragenden Unterstützung eines Großteiles der Bevölkerung rechnen können.

Sollte es, wie derzeit zu erwarten, zur Einrichtung von Außenstellen von Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge im Westerwaldkreis kommen, so kann ich an dieser Stelle sagen, wird nicht allein das Deutsche Rote Kreuz die damit verbundenen Aufgaben wird lösen können. Ich beabsichtige deshalb, wenn solche Entscheidungen des Landes kommen, auch die Träger der LIGA der Freien Wohlfahrtsverbände im Westerwaldkreis insgesamt zusammenzurufen um gemeinsam zu besprechen, wie wir diese Aufgabe gemeinsam, jeder nach seinen Möglichkeiten, am besten lösen können.

Zum Gesamtthema sei an dieser Stelle auch noch ein Hinweis auf die Sprachkurse für Flüchtlinge gestattet. Der Kreistag hat der Kreis-VHS 2015 hierfür zunächst 25.000 € an zusätzlichen Mitteln bereitgestellt. Das damit ermöglichte Angebot wird gut angenommen. Im ersten Halbjahr konnten so 30 Deutschkurse mit insgesamt 324 Teilnehmern erfolgreich durchgeführt werden. Damit sind dann aber auch die 25.000 € aufgebraucht. Es besteht eine gleichhohe Nachfrage und Auslastung auch für das zweite Halbjahr, weshalb heute mit dem Nachtrag auch der Vorschlag besteht, die Mittel um weitere 25.000 € aufzustocken. Es ist richtig, den Weg der Integration mit dem Erlernen der deutschen Sprache zu beginnen. Ich denke, dann muss auch die Bereitschaft gegeben sein, ein nachgefragtes Projekt weiter zu unterstützen.

[…]

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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